Wie ich auf das VanVan (meines heißt "Staubmilbe", weil klein, unspektakulär, und bevorzugt auf Staubstraßen daheim) und zum Reisen damit kam:
Ich stamme aus München und zähle mit 50 Jahren wohl schon zu den älteren Hasen. Früher, zu Abitur- und Studienzeiten, hatte und restaurierte ich einige Oldtimer, konkret Zündapp DB 200, Maico M 250/B, Moto Guzzi Nuovo Falcone, BMW R11.
Schon damals schätzte ich den Geschwindigkeitsbereich zwischen 90 und 100 km/h ganz besonders, wie diese Zeichnung beweist...
Irgendwann beschloss ich, dass ich schon genug dreckige Fingernägel für ein ganzes Leben gehabt hätte, und legte mir stattdessen eine BMW R 1100 R zum Touren zu. Mit der war ich bald jedes Wochenende in den Dolomiten, fallweise bis England und Spanien und schruppte so alljährlich jeweils über 10.000 km drauf.
Mit dem Wachsen der Familie begann dann jedoch eine längere motorradlose Zeit. Meine Frau meinte zwar, ich solle/dürfe mir für die Stadt einen Roller zulegen, doch so weit kam es doch nicht. Schließlich will ich schalten und etwas zwischen Knien haben. Im Spanien-Urlaub vor 5 Jahren sah ich dann erstmals bewusst Viertakter-VanVans, und zwar buchstäblich an jeder Ecke: Im Altstadtgewühl Barcelonas, am Strand, überall. Ich war hin- und hergerissen, ob das so eigenwillig proportionierte Ding nun schön ist, einfach nur hässlich, oder so hässlich, dass es schon wieder schön ist...
Jedenfalls war es ein richtiges Motorrad, wie es für mich nur so in Frage kommt: Frei von Verkleidungen und Abdeckungen, puristisch und minimalistisch, überwiegend metallen, luftgekühlt, alles funktioniert so, wie es ausschaut. Oder vielmehr alles sieht so aus, wie es funktioniert.
Nach der Rückkehr (und der Lektüre von Zonkos Liebeserklärung auf 1000ps.de) habe ich mir nun also anstatt des ausgelobten Rollers ein VanVan angeschafft, und stelle fest, damitmindestens genausoviel Spaß zu haben wie seinerzeit mit dem fast 10-fachen Hubraum. Und es nicht nur als Stadt-, sondern zunehmend als ideales Reisefahrzeug zu nutzen. Doch dazu später mehr.
Was mir an meiner "Staubmilbe" gefällt, in Stichpunkten:
- Unkonventionell proportionierte, dennoch klassische Optik
- Tief und breit, von vorne erwachsene Silhouette: Man wird ernstgenommen und von allen gegrüßt
- Völlig unkompliziertes Alltagsgefährt.
- Minimaler Verbrauch von unter 2,5 Litern, völlig ausreichende Reichweite von 200 km
- Spielerisches, wieselflinkes Handling
- Extrem entspannte, unverkrampfte und auf dem breiten Sofa langstreckentaugliche Sitzposition
- Totales Understatement hinsichtlich Hubraum und Lautstärke
- Genial gestuftes Getriebe, für Volllast Schalten alle 20 km/h
- Ruckelfreies Langsamfahren und Lastwechsel
- Rangieren ohne Angst umzufallen auch im Gelände oder in größten Steigungen
- Vertrauenserweckendes Fahrwerk. Man ist auch bei größter Schräglage angstfrei unterwegs
Was eigentlich nur als urbanes Verkehrsmittel gedacht war, verbreitet nun auch Freude auf großer Fahrt. Es gefällt mir ungemein, sich aus dem Zwang des Rasens und Überholen-Müssens verabschiedet zu haben und völlig entspannt, entschleunigt und die Landschaft genießend dahinzurollen.
Und dabei ist man dennoch gar nicht so viel langsamer:
Erstaunlicherweise fahre ich mit dem VanVan auf Landstraßen auf Langstrecken exakt den selben 50 km/h Reiseschnitt wie seinerzeit mit der 1100er. Aber nur mit einem Bruchteil der Anspannung. Es fällt mir auf, wie selten ich von "ausgewachsenen" Motorrädern überholt werde (am Berg halt...), und selbst wenn, dann sind die an der nächsten Ampel auch noch nicht viel weiter.
Oder anders ausgedrückt: Auf Straßen, auf denen man überholt wird (oder auf denen man den Gasgriff ständig am Anschlag hat), hätte Motorradfahren eh keinen Spaß gemacht! Auf Straßen jedoch, die Freunde machen, ist man absolut angemessen unterwegs, und muss auch den Hub des Gasgriffs nur selten ausschöpfen.
Da gehört natürlich auch ein gewisses Credo hinsichtlich der Routenwahl dazu:
- Autobahnen (sowieso), Kraftfahrstraßen und gut ausgebaute Bundesstraßen sind als nichtexistent zu betrachten.
- Ebenso nichtexistent sind Ortsumgehungen. Es wird grundsätzlich auf der alten Trasse bzw. touristisch durchs Zentrum gefahren.
- Baustellenbedingte Streckensperrungen sind zu ignorieren. Wo noch ein Fahrrad durchpasst, passt ein VanVan allemal.
- Auf der 200.000er-Generalkarte sind rote Straßen möglichst zu meiden und gelbe und weiße Straßen zu bevorzugen.
Unter diesen Voraussetzungen ist das für mich die schönste Art zu reisen, und man kommt nach Tagesetappen von gut 300 km noch frisch, entspannt und mit einem Lächeln an. An längeren Fahrten war ich seither von München aus jeweils drei Mal in der Emilia Romagna und Ligurien, drei Mal in der Steiermark, drei Mal quer durch Süddeutschland nach Baden und der Pfalz, und ein Mal in der Toskana. Von einigen dieser VanVan-Reisen gab es auch im österreichischen Forum VanVanFan.at bebilderte Reiseberichte, bis das Forum zu meinem großen Kummer ohne jede Vorwarnung abgeschaltet wurde.
Euer Moritz