Drei Mal München-Parma und zurück

  • In den vergangenen Jahren hatte ich bereits drei Mal das Vergnügen, von München aus nach Varano de'Melegari südlich von Parma reisen zu dürfen. Der folgende Bericht ist somit eine Zusammenfassung und ein best of.


    Wie in Wie ich zum Reisen mit der Staubmilbe kam geschildert, halte ich das VanVan für ein ideal entschleunigendes Reisefahrzeug. Hinsichtlich Gepäck habe ich als Einzelfahrer mit einer Fahrradseitenseitentasche, einem Bojensack auf dem eh vorhandenen Gepäckträger und etwas Krimskram im Tankrucksack genug für eine ein- bis zweiwöchige Reise dabei, sofern man nicht auf die Annehmlichkeit verzichtet, in Hotels und Pensionen zu übernachten.


    Vorab zum Reiseland Italien: Die Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h auf Landstraßen kommt uns VanVan-Fahrern natürlich entgegen. Was ich jedoch nicht mehr erinnerte (oder worauf ich bei früheren Touren mit der 1100er BMW einfach nicht geachtet hatte), war dass viele Staatsstraßen als Kraftfahrstraßen gelten und dort in Italien 125er verboten sind. Was aber insofern kein Nachteil ist, dass man sich dann die fast nur von Traktoren und Einheimischen benutzte parallele Nebenstraße suchen muss, die zwar manchmal abenteuerlich geführt, aber ausnahmslos landschaftlich ansprechender ist. Auf solchen Nebenstrecken sind Tagesetappen von 300 bis 350 km angemessen, so dass die Distanz München-Parma bequem mit einer Zwischenübernachtung zu absolvieren ist.


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    Auf meinen Fahrten haben sich, mit geringen Abweichungen, zwei Hauptrouten herauskristallisiert. Die westlichere geht zunächst entweder über Fernpass oder Hahntennjoch nach Imst. Um nicht das Eck über Landeck ausfahren zu müssen, gerne es als Variante über die herrlich einsame und enge Piller Höhe mit dem legendären "gachen Blick".


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    Über der Reschen dann wahlweise zum Fußpunkt des Stilfser Jochs oder des Umbrail. Es kommt einem zunächst verrückt vor, mit 125 Kubik auf über 2.700 m Höhe zu fahren. Zwar muss man bei derartigen Steigungen aufwärts ganz schön zwirbeln, dafür ist das VanVan so handlich und leicht, dass man ohne Angst und Gewackel mit schleifenden Fußrasten spielerisch um die Kehren flutschen kann.


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    Am Stilfser Joch


    Einmal konnten selbst zwei BMW K 1600 selbst bergauf nicht mit mir mithalten, weil sie Probleme in den Kehren hatten, und auch dem abgebildeten, mich auf einer Reise begleitenden Porsche wurde es nicht langweilig, weil er eher mit der Straßenbreite und Bodenwellen kämpfte. Diese Reise übrigens aus anderer Sichtweise auch auf Grandretro.


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    Durchs Veltlin geht es dann bis Tirano, wo ich gerne zwischenübernachte. Anderntags eht es dann meist über den Aprica-Pass nach Edolo. Über den wunderbar schmal trassierten, aus Pkw-Sicht nur einspurig zu nennenden Vivione-Pass und den anschließenden Presolana-Pass führt, wenn man Zeit hat, ein herrlicher Umweg durch die Bergamasker Alpen zum Iseosee:


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    Malonno


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    Vivione-Pass


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    Iseosee


    Mit dem Verlassen der Alpen muss die Poebene durchquert werden, was landschaftlich unspektakulär ist, aber auf "gelben" Nebensträßchen durch verschlafene Orte seinen ganz eigenen Reiz hat.


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    Brücke über den Oglio


    Südlich von Parma beginnt dann der Appennin: Kleine und kleinste Nebensträßchen, nicht zu Tode begradigt, sondern höchst lustvoll dreidimensional trassiert. Die Gerade scheint dort noch eine Unbekannte zu sein, der Übergangsbogen ebenfalls. Hier ist man den ganzen Tag bei gefühlt 30 km/h, aber dafür in voller Schräglage unterwegs und kann den Reifen den Angstrand wegschrubben. Für nur zwei Daumenbreit auf der Landkarte kurbelt man mehrere Stunden...


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    Badende Studenten im Flussbett des Ceno


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    Auf dem Weg zur Burgruine Castello die Roccalanzona


    Hier ist bestes VanVan-Revier, und aufgrund der vielfach aufgebrochenen oder halb weggespülten Straßen können die Ballonreifen endlich einmal zeigen, was hinsichtlich Dämpfung in ihnen steckt.


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    Die Rede ist in den Hügeln südlich von Salsomaggiore Terme, am Übergang von der Poebene zum Gebirge in Richtung ligurische Küste. Ganz grob gesagt zwischen Parma und La Spezia. Landschaftlich am ehesten mit einer Proto-Toskana vergleichbar. Mit allenthalben Ausblicken über die Hügellandschaft, die gerade im goldenen Abendlicht zum Schreien schön sind:


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    Nicht nur landschaftlich, auch hinsichtlich Architektur, Fauna und Flora wähnt man sich in einem arkadischen Paradies. Hier im Hof des Hotels wetteifert der Pfau mit dem Motorroller, wer wohl schöner blau-metallic schimmern kann:


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    Es gibt (gottlob) keine halbwegs gerade durch die Hügel dorthin führende Straße, sondern nur ein unentwirrbares Geäst von kleinen und kleinsten, sich willkürlich dahinschlängelnden Sträßchen und Feldwegen, die auf keiner Karte verzeichnet sind (aber die Karten stimmen großteils eh nicht!) und jeden Versuch, frei Schnauze zu fahren, sofort mit rettungslosem Verfranzen bestrafen. Wenige Millimeter auf der karte können hier in eine fast schon tagesfüllende Beschäftigung ausarten. Was aber kein Verlust ist... Das ist die ultimative Entschleunigung. Als ob die Straßenplaner ausschließlich VanVans im Sinne gehbt hätten. Wenn es ein Revier gibt, dass für uns wie maßgeschneidert ist, dann dieses fernab von allen Verkehrströmen gelegene Juwel!


    Hinsichtlich Straßenbelag herrscht ein reiches Sammelsurium an unterschiedlichsten Qualitäten. Nur ein glatter Asphalt, wie wir ihn gewohnt sind, kommt nirgendwo vor. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass in Italien nur noch die Straßen erneuert werden, über die demnächst ein Radrennen führen soll. Gut so!


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    Zur Unterbringung eignet sich entweder das (nicht ganz billige) Schlosshotel Tabiano, oder ein völlig einsam auf einer Bergkuppe liegenden Agriturismo (ich war einziger Gast dort), zu erreichen über eine einspurige Serpentinenstrecke mit zwölf Haarnadelkehren und einen kilometerlangen, nur grob geschotterten Waldweg. Ich und mein VanVan sind im Paradies angekommen! Auf der Anfahrt trabt ein Dachs ein Stück weit vor mir her.


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    Einmal überholt mich morgens unten im Tal eine Ducati Scrambler (die Alte, das Original!), und ich hänge mich spontan hinten dran, um zu sehen, wo sie denn hinfährt. Zu einem Cafe, wo sich der Ducatist mit den Fahrern einer ganzen Sammlung höchst bemerkens- und begehrenswerter Motorräder trifft. Zwei davon wecken wehmütige Erinnerungen in mir (die Guzzi Falcone und die Seitenventiler-BMW), hatte ich in meiner Oldtimer-Phase doch fast die gleichen. Ich gestatte mir, für eine Beweisfoto meine Staubmilbe in diese höchst illustre Gesellschaft einzureihen:


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    Ein schöner Tagesausflug ist as Taro-Tal aufwärts und über den Passo Cento Croci hinüber nach Ligurien ans Meer. Der Pass ist einsamstes und engstes, wild verwinkeltes VanVan-Traumrevier, wo ich den Angstrand der Reifen um ein paar mm reduziere. Zwar geht er nur auf ca. 1000 m Meereshöhe, aber eben von Null aus, so dass er extrem eindrücklich wirkt. Seinen Namen (Hundert Kreuze) hat er angeblich von einer einst hier hausenden Bande von Straßenräubern, die immerhin so fromm waren, Kreuze für ihre Opfer aufzustellen. Nett...


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    Passo Cento Croci


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    Sestri Levante


    Die eher östliche Routenvariante ist hier als Rückreise geschildert: Wieder geht es durch die Poebene, um zwischen Brescia und Gardasee bei Gavardo auf die Berge zu stoßen.


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    Lonato del Garda


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    Gavardo


    Von dort geht es über eine wunderbar zu fahrende, kleine Querverbindung hinüber nach Vallio Terme und weiter zum Idro-See. In Lavenone kann ein ehemaliger Eisenbahntunnel der schon lange stillgelegten Überlandstraßenbahn Brescia-Idro befahren werden:


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    Weiter geht es am Idro-See entlang (im Bild ein altes Sperrfort) und durchs Giudicarie-Tal nach Tione. Zwischen Tione und Stenico empfiehlt sich auf jeden Fall die kleine Alternativstraße oben am nördlichen Talhang. Die Straßenführung ist z.T. sehenswert. Eine geeignete Tagesetappe ist im Bereich Arco-Molvenosee-Cles.


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    Arco


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    Molvenosee


    Sofern man nicht eh direkt am Westufer des Gardasees entlang gefahren ist:


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    Vittoriale degli Italiani


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    Limone del Garda


    Anderntags geht es dann, um das vielbefahrene Etschtal zu meiden, über den Santa-Giustina-Stausee und das Nonstal und den Gampenpass nach Meran, von wo sich das Passeiertal und das Timmelsjoch zur Alpenüberquerung abseits der Brennerroute anbietet. Oben am Timmelsjoch ist ein sehr schönes Motorradmuseum!


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    Fazit: Eine schönere Landschaft und schöneres Reisen kenne ich nicht!


    Moritz

    2 Mal editiert, zuletzt von Bierjunge ()

  • Klasse Moritz!


    Sehr schöne Fotos und gezeichnete bzw. gemalte Bilder! Das Ganze in tolle Texte verpackt - großartig!

    Ich würde mich an dieser Stelle sehr über weitere Reiseberichte freuen. Kurze, lange, mit viel oder wenig Text.... völlig egal!


    Viele Grüße

    Werner